Universitätsprofessor

Dr. Bruno Niederle

Facharzt für Chirurgie und Gefäßchirurgie

Spezialisiert auf Endokrine Chirurgie

Fellow of the European Board of Surgery - Endocrine Surgery (FEBS)

Fellow of the Royal College of Surgeons (FRCS)

Fellow of the American College of Surgeons (FACS)

Allgemeines über die Nebenniere

Die Nebenniere (lateinisch Glandula adrenalis oder Glandula suprarenalis) ist eine paarige Hormondrüse. Die Nebennieren befinden sich auf den oberen Polen beider Nieren. Sie unterliegen einem hormonellen Regelkreis und dem vegetativen Nervensystem.

Aufbau der Nebennieren

Die Nebennieren sind von einer feinen Bindegewebskapsel umgeben und bestehen aus Rinde und Mark. Beide Teile der Nebenniere haben unterschiedliche Funktion.

Nebennierenrinde

Histologischer Aufbau der Nebenniere (Schichten) Die das Mark umgebende Nebennierenrinde (Cortex glandulae suprarenalis) lässt sich in drei Schichten gliedern

Zona arcuata bzw. glomerulosa

In der äußeren Zone sind die Zellen knäuelförmig (Zona glomerulosa, von glomerulum „Knäuel“) teils bogenförmig (Zona arcuata, von lat. arcus „Bogen“), angeordnet. Diese relativ kleinen Zellen bilden vorwiegend das Hormon Aldosteron in Antwort auf erhöhte Kaliumspiegel oder erniedrigte Natriumspiegel im Blut oder einem verminderten Blutstrom in den Nieren. Aldosteron ist Teil des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems und reguliert die Konzentration von Kalium und Natrium.

Zona fasciculata

Als mittlere Schicht folgt die Zona fasciculata (lat. fasciculus „Strang“) mit relativ großen Zellen. Sie sind strangartig angeordnet und reich an Lipoidgranula („Spongiozyten“). Zwischen diesen Zellsträngen liegen sinusoid erweiterte Kapillaren. Die Zellen bilden vorwiegend Glukokortikoide wie Cortisol. Die Produktion der Glukokortikoide wird über das adrenokortikotrope Hormon (ACTH) aus der Hypophyse reguliert. Darüber hinaus werden geringe Mengen von Sexualhormonen, genauer Androgene wie Dehydroepiandrosteron synthetisiert.

Zona reticularis

Zum Mark hin folgt die Zona reticularis (lat. reticulum „Netz“) mit netzförmig angeordneten, kleinen Zellen. Sie bilden vorwiegend Androgen.

Alle Hormone der Nebennierenrinde werden aus Cholesterol synthetisiert.

Nebennierenmark

Das Nebennierenmark (lat.: Medulla glandulae suprarenalis) liegt im Inneren der Nebenniere und entsteht ontogenetisch aus dem Nervensystem, genauer durch Auswanderung von Zellen aus der Neuralleiste. Diese ektodermalen Chromaffinoblasten entstammen also der Anlage des Grenzstrangs und sind modifizierte Nervenzellen. Man kann das Mark auch als sympathisches Paraganglion ansehen.

Es besteht aus so genannten chromaffinen Zellen (gut mit Chromsalzen anfärbbar), in welchen aus L-Tyrosin sowohl Adrenalin als auch Noradrenalin gebildet und bei Bedarf direkt an das Blut abgegeben werden. Das Nebennierenmark besteht weiterhin aus Bindegewebe, Blutgefäßen mit venösem Plexus, multipolaren sympathischen Ganglienzellen und Nervenfasern.

Erkrankungen der Nebennierenrinde

Infolge der Vielzahl der in der Nebennierenrinde gebildeten Hormone können bei Störungen vielfältige Krankheitsbilder auftreten.

Überproduktion von Aldosteron = Hyperaldosteronismus

Eine durch Erkrankung des Organs bedingte Überproduktion von Aldosteron führt zum Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) mit erhöhtem Blutdruck und erniedrigtem Kaliumblutspiegel. Ursächlich für den Hyperaldosteronismus sind entweder einseitige Nebennierengeschwulste (Conn-Adenom) oder eine beidseitige Vergrößerung der Nebenniere (bilaterale Hyperplasie). Neben dem „klassischen“ Conn-Syndrom sind Fälle eines „normokaliämischen“ Conn-Syndroms wesentlich häufiger und insgesamt die häufigste Ursachen eines hormonell bedingten Bluthochdrucks. Eine Unterfunktion wird als Hypoaldosteronismus bezeichnet. Sie tritt vor allem bei der primären Nebennierenrindeninsuffizienz (beispielsweise Morbus Addison) auf.

Überproduktion von Cortison = Hyperkortizismus/Hypercortisolismus

Eine vermehrte Glukokortikoidproduktion führt zum Hyper(adreno)kortizismus (Hypercortisolismus; ACTH abhängig: Morbus Cushing; ACTH unabhängig: Cushing Syndrom).

ACTH abhängiger Hypercortisolismus

Meist ist die Ursache eine Überproduktion von adrenokortikotropem Hormon (ACTH) in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), welches die Bildung von Kortikoiden in der Nebenniere reguliert. Neuroendokrine Tumore (meist bösartig) der Lunge und der Bauchspeicheldrüse können ebenfalls ACTH produzieren (ektope Hormonproduktion) und dadurch einen Hypercotisolismus unterhalten.

ACTH unabhängiger Hypercortisolismus

Seltener wird eine Erkrankung durch eine ein oder beiseitigen Tumor bzw. Hyperplasie der Nebennierenrinde verursacht.

Ein Hypercortisolismus äußert sich in einem erhöhten Blutzuckerspiegel, Stammfettsucht, Hautveränderungen und Knochen- und Muskelabbau.

Die Langzeitanwendungen von entzündungshemmenden Glukokortikosteroiden (beispielsweise Prednisolon oder Dexamethason) kann ähnliche Krankheitsbilder auslösen (Nebenwirkung!).

Eine verminderte Glukokortikoidbildung bezeichnet man als Hypadrenokortizismus (Morbus Addison). Dieser äußert sich durch schnelle Ermüdbarkeit, Appetitverlust, Abmagerung und im fortgeschrittenen Stadium durch eine dunkle, braun-gelbe Hautfarbe.

Erkrankungen des Nebennierenmarks = Phäochromozytom

Eine Überproduktion von Stresshormonen durch einen Tumor im Nebennierenmark wird als Phäochromozytom bezeichnet

Das Phäochromozytom ist eine der häufigsten Erkrankung der chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks mit einer Inzidenz von 1/100.000 Personen/Jahr. Es handelt sich um einen Tumor, der Katecholamine produziert (Noradrenalin, Adrenalin, Dopamin und Metanephrine). Er ist zu 85 % im Nebennierenmark lokalisiert, kommt jedoch auch in den Nervenzellen des thorakalen und abdominalen Grenzstrangs vor (Paragangliom), produziert hier aber fast ausschließlich Noradrenalin. Etwa 15% der Phäochromozytome sind maligne, hierzu finden sich in der Literatur unterschiedliche Prozentangaben.

Das Phäochromozytom tritt isoliert oder im Rahmen eines MEN 2-Syndroms (multiple endokrine Neoplasien), beim von-Hippel-Lindau-Syndrom und bei der Neurofibromatose Typ 1 (Morbus Recklinghausen) auf.

Symptome

Der Patient klagt vor allem über einen anfallsartigen Bluthochdruck (paroxysmale Hypertonie) oder dauerhafter Blutdruckerhöhung (persistierende Hypertonie, oft bei Kindern). Während der Phasen des erhöhten Blutdruckes treten Kopfschmerzen, Schwindel, Herzrasen und Schwitzen auf. Weitere Zeichen sind blasse Haut, Blutzuckererhöhung (Hyperglykämie), eine Leukozytose und Gewichtsverlust.

Diagnose

Die Diagnose basiert auf den verdächtigen klinischen Symptomen. Besonders verdächtig sind sporadisch auftretende Bluthochdruckattacken, bei der die gängigen medikamentösen Therapien nicht ansprechen. Da ein Phäochromozytom für den betroffenen Patienten eine sehr ernsthafte Gefahr darstellt, muss eine zuverlässige Labordiagnostik erfolgen.

Für die laborchemische Untersuchung steht eine Reihe von Verfahren zur Verfügung. Dies sind in erster Linie die Bestimmung der Katecholamine (Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin) im 24 Stunden-Sammelurin oder der Plasmametanephrine (Metanephrin, Normetanephrin). Wenn die Plamametanephrine nicht erhöht sind, ist ein Phäochromozytom mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Laut Literaturangaben ist die diagnostische Sensitivität dieser Methode ist nahezu 100 %.

Die Bestimmung der Vanillinmandelsäure ist wegen der geringen Sensitivität heute nicht mehr angezeigt. Besser ist

Wenn die Bestimmung der Plasma-Metanephrine bzw. der Katecholamine im Harn positiv ist, muss eine weiterführende Lokalisationsdiagnostik durchgeführt werden. Dies geschieht mittels bildgebender Verfahren wie CT und/oder MRT. Die nuklearmedizinischen Untersuchungen mit MIBG- (Metaiodobenzylguanidin) Szintigraphie oder F-DOPA-PET dienen vor allem dem Ausschluss von Phäochromozytomen außerhalb der Nebenniere. Diese Substanzen lagern sich vornehmlich in den betroffenen chromaffinen Zellen des Phäochromozytoms ein.

Bei allen Patienten müssen genetische Determinationen der Erkrankung (MEN2, VHL-Syndrom, Neurofibromatose 1, Paraganglioma Syndrome) ausgeschlossen werden.

Therapie

Ziel der Behandlung ist die Normalisierung des erhöhten Katecholaminspiegels mit weitgehender Normalisierung des Bluthochdrucks!

Einseitige Phäochromzytome werden durch Entfernung der tumortragenden Nebenniere behandelt. Mindestens eine Woche vor dem Eingriff wird zur Vorbereitung die Senkung des Blutdruckes mit einem alpha-Blocker (z. B. Phenoxybenzamin), begonnen. Gleichzeitig ist wird dadurch eine Tonisierung des venösen Gefäßsystems nach Wegfall des adrenergen Tonus erreicht.

Im Rahmen familiärer Syndrome kommen Phäochromozytome häufig beidseitig vor.

Die subtotale Adrenalektomie (z.B.: vollständige Entfernung der einen, teiweise Entfernung der anderen Seite) ist zu bevorzugen!

Chirurgische Therapie von Nebennierentumoren

Durch den vermehrten Einsatz bildgebender Verfahren (Ultraschall - US, Computer tomputertomographie - CT, Magnet Resonanz Tomographie – MRT) des Brust- und Bauchraums zur Routineuntersuchungen des Brustraums bzw. zur Abklärung von Bauchbeschwerden werden „Tumore“ der Nebenniere als Zufallsbefund („Inzidentalom“; „Erkrankung der modernen Technologie“) bei bis zu 4 von 100 Patienten (4%) beobachtet.

Nicht jeder zufällig vom Radiologen beschriebene Knoten hat einen Krankheitswert!

Es muss jeder Konten zum Ausschluss einer „verdeckten“ Hormonüberproduktion (Phäochromozytom!) weiter untersucht werden. Die Untersuchung erfolgt nach genau festgelegten Richtlinien.

Ob ein Knoten in der Nebenniere operiert entfernt werden muss oder nicht, richtet sich nach seinem Funktionszustand bzw., wenn hormoninaktiv, nach seiner Größe.

Bei Diagnose beidseitiger Nebennierenrindenläsionen muß immer ein MEN 1, bei Diagnose eines Phäochromozytoms immer eine MEN 2 bzw.eine andere genetisch determinierte familiäre Erkrankung ausgeschlossen werden.

Jeder hormonaktive Nebennierentumor muss unabhängig von seiner Größe operativ (meist nach besonderer medikamentöser Vorbereitung – besonders wichtig: Phäochromozytom!) entfernt werden.

Bei hormoninaktiven Tumoren richtet sich die Wahl des therapeutischen Vorgehens nach der Tumorgröße. Tumore unter 3 cm werden beobachtet (alle 6 Monate Dokumentation der Größe durch CT oder MRT Kontrolle; 2 Jahre lang, dann jährlich). Bei dokumentiertem Wachstum müssen wachsende Knoten operativ entfernt werden. Bei einer Größe zwischen 3 cm und 5 cm besteht eine relative (genaues Gespräch mit Patienten über Vor- und Nachteile einer Operation ist notwendig!), ab 5 cm eine absolute Operationsindikation. Diese Therapieempfehlung basiert auf der Beobachtung, dass mit zunehmender Größe auch die Wahrscheinlichkeit einer bösartigen Entartung des Tumors ansteigt.

Die Therapie der Wahl bei Nebennierentumoren mit Operationsnotwendigkeit bis 6cm ist ihre minimal invasive, „endoskopische“ Entfernung („Goldstandard“)! Tumore größer als 6 cm oder unabhängig von ihrer Größe bei Malignitätsverdacht sollen generell konventionell, „offen“ operiert werden

Der Zugang durch den Bauchraum (laparoskopisch) und von hinten (retroperitoneoskopisch) sind gleichwertig. Die Wahl des Zugangswegs ist abhängig von Präferenz des Operateurs in Absprache mit dem Patienten.